RÜCKBLICK IM FEBRUAR 1976
MELINA
Wie viel mehr kann ein Mensch verlieren, wenn er bereits alles verloren hat?
Und wie weit ist der Weg zum Ruhm, wenn man ganz am Boden liegt?
Ich sag euch was: es ist weiter als man denkt; selbst, wenn man denkt, es ist unendlich.
Tja, das war's dann wohl mit meinem Teenieleben. Die Folter von Flint liegt nun schon einen ganzen Monat zurück, doch es fühlt sich an, als wäre es gestern. Und der Rattenschwanz, den diese blöde Entführung mit sich trägt, ist meine Zukunft. Halt, ich korrigiere: es fühlt sich nicht nur so an, es ist so. Zuerst war alles toll. Ich konnte wieder mit Shirocco ausreiten gehen, ich hatte Conor als einen wunderbaren Freund (ohne Spaß: es ist so schön, händchenhaltend durch die Schule zu spazieren, ohne die Beziehung verstecken zu müssen und das meine ich!) und ich habe Cass getroffen, der diese hässlichen Narben auf meinem Brustbein weggemacht hat. Gut, das war nur der eine Teil des Treffens. Der andere hat wort wörtlich mein Leben verändert. Natürlich blieb es nicht nur beim Zaubern. Da ist diese ganz spezielle Anziehungskraft zwischen uns, die mich verrückt nach ihm werden lässt. Gleichzeitig hasse ich sie, weil ich weiß, dass es mich nur wieder verletzt. Dann versuche ich, rational zu bleiben und ihm zu sagen, dass das keine gute Idee mit ihm ist, aber es gelingt mir nie. Drei Sachen sind an diesem Abend passiert, die mich komplett verwirrt haben. Erst meinte er, er hätte keine Emotionen. Wie kann ein Mensch keine Emotionen haben? Aber gut, er ist auch ein Vampir und da frage ich mich ehrlich auch, wie der große Cassian Lightwood, Elementmagier und von den besten gelehrt, es nicht geschafft hat, sich gegen einen Vampir durchzusetzen. Das glaube ich ihm definitiv nicht, dass er keiner werden wollte. Die zweite Sache ist, dass er mir gesagt hat, er würde mich noch immer lieben. Aber die dritte Sache war, dass er mich wieder hat sitzen lassen. Und die vierte Sache - ja, es waren tatsächlich doch vier - nun bin ich schwanger. Schwanger.
Das will noch gar nicht in meinen Kopf rein. Ich würde gerne weinen, schreien, all die Wut in mir rauslassen. Aber es geht nicht. Ich stehe einfach immer noch so unter Schock, dass ich das einfach noch nicht mal verstehen kann. Verstehen will. Ich will das alles nicht, ich will dieses Kind nicht. Aber ich will es auch nicht nicht. Das ist alles so kompliziert und ich weiß gar nicht, wie ich das bewältigen soll. Außer Fabi und Oma Farah weiß das auch noch niemand. Dad wird mir die Hölle heiß machen. Und Oskar und Thaddi...? Ich habs wirklich versucht, ihnen zu sagen, aber ich kann das einfach nicht. Ich kann ihnen nicht sagen, dass sie die größte Enttäuschung an Schwester haben. Es tut einfach alles so verdammt weh und ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig hilflos und überfordert.
Ich brauche einen Plan. Eine Anleitung, an die ich mich halten kann. Einen Menschen oder zumindest ein Buch, das mir zeigt, wo's lang geht. Das mir sagen kann, ob ich Cass davon erzählen soll oder nicht; das mir sagt, wie ich Conor davon erzählen soll; das mir einen Tipp gibt, wie ich Dad überleben soll. Bitte, ich wünsche mir nur einen einzigen Ankerpunkt, den Rest mach ich allein. Aber gerade schwimme ich einfach nur wie ein toter Fisch im großen Ozean.
THADDI & OSKAR"Good to have you back, my twin."
Oskar lacht gerade, aber ich finde, dieser Satz passt auf uns beide. Okay, jetzt hat mir Oskar zugestimmt und ich habe eine Faust auf meinen Oberarm kassiert. Für uns war der Februar zwar nicht gerade spannend (wir saßen beinahe jeden Tag in der Bibliothek und haben zusammen für die Abschlussprüfungen gebüffelt und Oskars verpassten Schulstoff nachgearbeitet), dafür umso vertrauter. Die gemeinsame Zeit tut uns wahnsinnig gut und wir sind beide so froh, den jeweils anderen wieder zu haben.
CARLYHm. Soll ich nun wieder schreiben, dass jeder meiner Verwandten ständig cooler, besser und schlauer ist als ich? Das ist wirklich deprimierend. Selbst die anderen Schüler finden das wohl. Die einzige, die nett zu mir ist und bei der ich nicht den Gedanken habe, dass sie dahinter Gedanken haben könnte, ist meine neue Freundin Carrie. Sind wir überhaupt Freundinnen? Ich weiß es nicht. Aber ich freue mich immer, wenn ich sie sehe. Das macht Freundinnen doch aus, oder? Carrie ist toll. Sie ist zwar sehr chaotisch und damit das Gegenteil zu mir, aber das macht nichts. Sie bringt mich zum Lachen und ihr Badeanzug hat eine ganz lustige Biene drauf, die immer mal wieder um sie herum fliegt?
SKYENa. Toll.
Jetzt ist mein Geheimnis, ein weißer Wolf zu sein, raus. Ethan, der Idiot, hat mich erst so getriezt, dass ich die Kontrolle verloren hab, und dann ist er mir gefolgt. Merkwürdigerweise hat er nicht gelacht, sondern mir geholfen. Trotzdem muss ich im März unbedingt sein Gedächtnis oblivieren. Dass jemand externes von meinem Gedächtnis weiß, geht gar nicht!!
FABIANDer Februar war ziemlich ereignisreich für mich, denn irgendwie haben sich Schlag auf Schlag sämtliche Ereignisse ergeben. Es begann damit, dass ich eine hübsche Studentin in der Winkelgasse kennengelernt habe. Ihr Name ist Claire und man kann sich sehr gut mit ihr unterhalten. Ich habe ihr Hogsmeade gezeigt und sie ein wenig herumgeführt, war insgesamt ein sehr schöner Tag. Danach habe ich meine Cousine Melina besucht, um die ich mir lange Sorgen machte. Bei meinem zweiten Besuch in Hogwarts war ich dann dabei, als man ihr sagte, dass sie schwanger ist. Jetzt mache ich mir noch mehr Sorgen, aber für mich steht außer Frage, dass ich sie natürlich unterstützen werde. Und wenn wir schon beim Thema Unterstützung sind, habe ich einen alten Schulkamerad wieder getroffen: Mike. Er hat mir von vielen Sachen berichtet, die sich in Hogwarts ereignet haben, auch was Oskar und Thaddi betrifft, wovon ich nichts wusste. Ich habe mich seiner Gruppe, dem Orden des Phönix, angeschlossen und hoffe, dass ich was tun kann, um gegen das, was auch immer gerade Leute angreift, vorgehen zu können. Und um diesen Eintrag mit einem positiven Satz noch beenden zu können: Ich bin Richter geworden und arbeite jetzt im Zaubereiministerium.
GIDEONJoa, viel gibt es nicht zu erzählen. Bin von meinem Auftrag aus den Highlands zurückgekehrt und hab erstmal ein paar Tage in Hogsmeade verbracht. Wenn man mich nochmal auf Naturwanderung schickt, kann Gringotts sich mal wen anderen suchen, dann mach ich blau! Hab auch mit meiner Lieblingscousine wieder geschrieben, der guten Skye. Sonst habe ich mich halt noch einer Organisation angeschlossen, von der Fabian gesprochen hat. Irgendwas mit einem Phönix... Scheinbar brauchen die einen Fluchbrecher.
MOLLYZwei Kinder wuseln um mich herum und das dritte Kind ist unterwegs. Ich bin schon die ganze Zeit am nachdenken wie ich das Kind nennen könnte. Ach, ich hoffe so sehr, dass es mal ein Mädchen wird, aber egal welches Geschlecht es hat, ich liebe es bereits jetzt schon vom ganzen Herzen. Arthur ist auch so süß, er verbringt momentan viel Zeit in seiner Werkstatt und denkt, dass ich nicht merke, dass er wieder an irgendwelchen Muggeldingen herumbastelt. Letztens waren auch meine Brüder wieder zu Besuch und auch wenn Gideon immer noch anstrengend ist wie ein Fünfjähriger, haben wir einen schönen Abend gehabt. Mal abgesehen davon, dass Fabian uns von vielen schrecklichen Dingen erzählt hat, die in Hogwarts vor sich gehen. Diese Artikel im Tagespropheten bereiten mir auch Kopfschmerzen, denn wie sollen meine Kinder nur in dieser Welt aufwachsen, wenn ich nicht weiß, ob sie in Sicherheit sind? Ich hoffe, dass wir etwas mit diesem Orden bewerkstelligen können...